Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition) Page 13
Nein. Nein, nein, nein!
»Sag das nicht!«, wisperte ich. Das durfte er nicht. Nein. Er durfte nicht auf diese Art über mich nachdenken.
»Hannah, bitte!« Seine Stimme klang wie ein Flehen. »Bitte erkläre mir hier und jetzt, dass ich dich in Ruhe lassen soll, und ich schwöre, ich werde es tun, egal wie schwer es mir fällt. Aber zwinge mich nicht, dich anzulügen und dir zu erzählen, dass du mir ... nichts bedeutest!«
Ruckartig hob ich den Kopf. »Adam!«
»Bitte Hannah.«
Mein Blick wanderte über sein schönes, wie gemeißelt wirkendes Gesicht, und am liebsten hätte ich die Hände ausgestreckt, um ihn zu berühren. Diese vom Bart rauen Wangen. Ich wollte nach seiner Hand greifen, weil ich seine langen schlanken Finger, mit den leicht rauen Kuppen immer noch auf meiner Haut fühlen konnte. Um die Wahrheit zu sagen, war es nämlich so, dass ich ihn die ganze Woche über nicht hatte vergessen können. Ständig dachte ich an diesen atemberaubenden Abend und die unvergessliche Nacht. Mein Kopf wollte einfach keine Ruhe geben, wollte nicht aufhören immer und immer wieder jeden Moment zu durchleben, egal wie falsch es im Grunde war. Gleichgültig, ob er verlobt war oder nicht. Er hatte sich durch seine anstrengende, besitzergreifende und herrische Art, die er an den Tag legte, in mein Herz geschlichen. Aller Logik, Vernunft und Rücksichtnahme zum Trotz, nichts konnte ihn vertreiben. Nicht einmal das Bild, das sich mir geboten hatte, als ich gestern Abend das Restaurant betreten hatte.
Natürlich flüsterte die Realistin in mir, dass es so richtig und fair war. Immerhin war es die Hand seiner Verlobten gewesen, die er gehalten hatte.
Die gefühlsduselige Frau in mir suchte Ausflüchte, darin, dass er sein angeknackstes Ego reparierte. Und die Romantikerin? Sie fühlte den Schmerz wie einen frisch geschliffenen Dolch in ihr Herz stechen. Reflexartig zuckte ich zusammen, als ich mich daran erinnerte, wie ich mich in der vergangenen Woche nach ihm verzehrt hatte und mich nur schwer kontrollieren konnte. Mehr als nur ein Mal hatte ich versucht meine Gedanken zu stoppen, nach dummen Gründen zu suchen, um Kontakt zu ihm aufnehmen zu können. Seine blauen Augen tasteten sich über mein Gesicht. Er versuchte, darin zu lesen. Kurz versank ich in ihnen, ehe sich mein Herz vor Sehnsucht nach ihm zusammenzog.
»Okay«, wisperte ich schließlich schwer schluckend.
Er hob erstaunt die Brauen. »Okay?«
»Okay, es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Auch wenn du vielleicht den Eindruck hast, dass das ein Spaziergang für mich war ... es ist mir ... schwergefallen.«
»Heißt das, du musstest auch an mich denken?«, fragte er. Sein strahlendes Lächeln ließ seine Zähne im Mondlicht aufblitzen.
»Vielleicht ... hin und wieder?«, sagte ich und lächelte schüchtern. Adam beugte sich in meine Richtung und sein Gesicht war dem meinen nun so nah, dass sich die Wärme seiner Haut auf mich übertrug. Eine Gänsehaut zog sich augenblicklich über meine Arme.
»Hin und wieder?«, flüsterte er, und als er sprach, berührten seine Lippen meinen Mund. Die Stelle, die er traf, begann zu kribbeln.
»Ja, manchmal«, hauchte ich benommen.
»Mh ... vielleicht muss ich mir mehr Mühe geben, um größeren Eindruck bei dir zu hinterlassen«, sinnierte er leise vor sich hin.
»Nun ...« Ich schluckte schwer und genoss seine weiche, warme Hand, die er in meinen Nacken legte. »Vielleicht, ja.«
»Ich werde dir mal auf die Sprünge helfen, okay?«, murmelte er und legte seine Lippen auf meine.
Seinen Mund nach über einer Woche wieder auf meinem zu haben, fühlte sich so unglaublich toll an, dass ich zu atmen vergaß. Sanft strich er mit seiner Zunge über meine Unterlippe. Selbst wenn ich gewollt hätte, war nicht zu verhindern, dass ich ihn in meinen Mund ließ. Mit Bedacht streichelte seine warme Zunge meine. Er benebelte sämtliche Sinne mit genau dem perfekten Druck. Er massierte und erforschte mich. Erst als er mir seinen Geschmack ausgiebig in Erinnerung gerufen hatte, unterbrach er den Kuss.
Schwer atmend lehnten wir uns aneinander.
»Gott, Hannah!«, wisperte er verzweifelt. Zittrig holte er tief Luft und lächelte mich an. Seine Hände legten sich an meine Hüften und er hob mich leicht an, als er gleichzeitig sein Bein anwinkelte, um mich dazwischen zu ziehen. Nachdem ich mit dem Rücken an seiner Brust lehnte, streckte er seinen einen Fuß wieder aus. Auch wenn es falsch war, schmiegte ich mich an seinen Körper und genoss es. Leise lachend flüsterte er in mein Ohr: »Verrätst du mir jetzt, wie es dir geht und wie deine Woche war?« Wieder küsste er mich, als könne er nicht genug von mir kriegen.
Als wäre er ausgehungert.
Nach all diesen Stunden, die ich ohne ihn hatte verbringen müssen, fühlte sich sein warmer Mund so gut an, dass ich in diesen erneuten Kuss hinein seufzte. Das Geräusch ließ sich nicht vermeiden. Sollte er es doch wissen! Sollte er wissen, wie ich ihn vermisst hatte. Und so versuchte ich alles, was mir möglich war, in diese Berührung zu legen. Würde ich es aussprechen, würde es real werden. Es änderte zwar nichts an der Tatsache, dass es passierte und falsch war, aber es schmerzte nicht so sehr. Solange wir es beide auslebten, aber niemand es zur Sprache brachte, war es Scheiße. Allerdings nicht so riesige Scheiße, wie wenn wir uns unsere Gefühle gestanden hätten. Das durften wir nicht tun. Niemals. Zumindest so lange nicht, wie ich es noch vermeiden konnte.
So sollte es bleiben. Hier fühlte ich mich zu Hause. ›Verrückte Gedanken‹, murmelte mein Engel und plumpste auf meine Schulter. Erleichterung durchströmte mich, als mir auffiel, dass ich mich nicht schuldig fühlte. Bedeutete das, dass ich eine miese Schlampe war? Dass ich nicht besser als irgendeine zweitklassige Nutte war, die sich an jemand heranmachte, der so gut wie verheiratet war?
Der Haken an der Sache, der für mich alles so surreal erscheinen ließ, war der, dass Kelly und Adam für mich gar nicht auf einer Seite standen. In meinem Kopf passten sie überhaupt nicht zusammen. Zumindest nicht wie ich sie bisher getroffen hatte. Vielleicht gab es ja eine geheime Vertrautheit, die sie der Welt nicht offenbarten. Einem Impuls folgend, beschloss ich ihn zu fragen, wie sie sich kennengelernt hatten. Die beiden bewegten sich nämlich nicht so, als würden sie denselben Freundeskreis teilen.
Würde ich das überstehen? Würde ich es aushalten, wenn ich so an ihn geschmiegt war und er ... über seine Beziehung mit Kelly sprach? Oder würde es mich zerreißen? Vielleicht wäre es nicht schlecht, wieder auf den Boden der Tatsachen zu landen und damit die schmerzhafte Bombe platzen zu lassen. Denn in mir regte sich das verdammte Gefühl, dass ich dabei war, mich in diesen arroganten Kerl zu verlieben.
»Wie hast du Kelly kennengelernt?«, platzte es aus mir heraus.
Er sah mich von der Seite an, die schöne Stirn in Falten gelegt. »Bist du sicher, dass du das wissen willst?«
Nach einer Weile murmelte ich ein »Ja«, denn diese Welle des Schmerzes würde mich sowieso irgendwann überrollen. Je früher desto besser.
›Wieso kannst du nicht einfach mal genießen, dass du glücklich bist? Wieso musst du es dir immer selbst kaputt machen?‹, fragte mich mein Engel gequält. Dieses eine Mal waren sich Engel und Teufel einig. ›Es war doch bereits kaputt, bevor es angefangen hat, immerhin ist er so gut wie verheiratet. Die Sache ist aussichtslos.‹
Adam seufzte tief und diese tiefe Melancholie, die er plötzlich ausstrahlte, passte nicht zu ihm. »Kelly war meine Physiotherapeutin«, begann er und ich schloss die Augen, um den Schmerz auszusperren. Ich war nicht darauf gefasst gewesen, dass allein ihr Name aus seinem Mund, mich so sehr treffen würde. »Ich hatte vor drei Jahren beim Surfen einen schweren Unfall. Kurz nach meinem letzten Wettkampf. Bei dem ich mir wieder den Weltmeistertitel geholt hatte.« Er lachte leicht. »Das mit dem Titel war ziemlich cool! Der Unfall nicht.«
»Was ist passiert?«, fragte ich leise.
»Na ja, ich hatte eine Tibiaspiralfraktur.«
»... und das bedeutet?«, erkundigte ich mich und wartete geduldig, bis er fortfuhr. Sein Körper verkrampfte sich. Meine feinen Antennen spürten, dass er sich kurz sammeln musste.
»Ist schwer zu erklären ... im Grunde is
t es so, dass der Unterschenkel in sich zusammenbricht. Die Kreuz- und Seitenbänder reißen ebenfalls.«
»Wie ist das passiert?« Auch wenn er vermeintlich ruhig auf das Wasser sah, raste sein Herz. Diese Nervosität übertrug sich auf mich. Das Blut rauschte in meinen Ohren und selbst ich, als Laie, fand, dass das, was er da sagte, nicht gut klang.
»Nun ... Es gibt da diese Bucht bei San Francisco. Sie heißt Half Moon Bay. Die irrsinnigen Wellen nennt man Mavericks und sie treten vor allem am Nordende der Bucht auf.« Ich spürte, wie er sich durch sein Haar fuhr und tief seufzte. »Jeder Surfer will dort eine Welle stehen. Jeder. Das Tückische ist, dass das Wasser entlang der Engstelle in der Mitte der Bucht an Land gedrückt wird. Also bei den weit ins Meer reichenden Felsen fließt es wieder zurück. Und wenn man da hineingerät, wird man an die Steine gepresst. Hinzu kommt natürlich, je höher die Strömung, umso gefährlicher wird es.« Er unterbrach seine Erklärung und legte sein Kinn auf meine Schulter. Dort fühlte es sich warm an. Vertraut. Als sollte es so sein. Leise fuhr er fort. »Die Wellen bei auflaufendem Wasser, vor allem gegen Ende der Flut, sind am höchsten und kräftigsten. Wenn du jetzt noch einen günstigen Wind hast, wie den, der vom Land kommt, sind sie unglaublich. Und wenn du dann noch die passende Mondphase erwischst, sind sie fast so kräftig, dass man sie kaum steht. Jeder Profisurfer hat den Traum oder die Vision, einmal so eine dicke Kiste zu reiten.« Er stockte kurz. »Es ist ein verdammter Adrenalinkick. Das ist das Nonplusultra. Meine Karriere war mir wichtig, also war ich immer vorsichtig, ging nur raus, wenn ich mir sicher war, dass ich die Welle stehen und mein Brett beherrschen würde. Bis zu jenem Tag.« Er seufzte tief, war gefangen in der Erinnerung der Vergangenheit. »Gott alleine weiß, was mich gepackt hat, dass ich in dieser verdammten Bucht genau an dieser Stelle surfen wollte. Haufenweise Berichte und Diskussionen in irgendwelchen Foren bezeugen, dass diese Bucht genau für diese Wellen in dieser Jahreszeit berühmt war. Ich war noch nie zuvor dort gewesen, und ich berechnete die Strömung falsch oder sie war einfach anders, als ich sie erwartet hatte. Aber das ist alles egal, denn ich habe die Kontrolle verloren und bin in einem der Rückflüsse ins tosende Meer geraten. Dabei wurde ich von dem Sog unter Wasser gezogen und an die Felsen geschleudert. Es ging alles so schnell, und wenn ich mich an den Schmerz zurückerinnere, bin ich dankbar, dass ich das Bewusstsein sofort verloren hatte.«
»Oh mein Gott!«, flüsterte ich erstickt und griff nach seiner Hand, die auf meinem Bauch ruhte. Der Kontakt half mir zu verstehen, dass es ihm gut ging, dass er hier bei mir war. Dass er überlebt hatte. Tränen stiegen in meine Augen und ich blinzelte sie mühsam weg. Die Dämmerung setzte ein, und zu dieser friedvollen, ruhigen Atmosphäre passte unser schweres Thema gar nicht.
»Ich wurde aus dem Wasser gefischt und hatte Glück, dass ich nicht ertrunken bin. Als ich wach wurde, sagte man mir, dass ich zwei Wochen in einem künstlichen Koma gelegen hatte, dass ich neben zu viel geschlucktem Wasser sehr lange ohne Sauerstoff war und meine Lunge davon Schäden genommen hatte.« Leise erzählte er von der schrecklichen Zeit. Er sprach kontrolliert. Als würde er sich emotional davon distanzieren. »Die spitzen Felsen haben mir damals zwei Lendenwirbel zertrümmert und ich hatte eine recht komplizierte Fraktur am Bein. Also wurde ich mehrfach operiert. Das volle Programm eben!« Er zuckte die Schultern. Diese lockere Geste brach sich Bann mit den angespannten Bauchmuskeln, die ich an meinem Rücken spürte. »Mit Platten, haufenweise Schrauben und Drähten. Im Grunde hatte ich dennoch Glück, denn meine Lunge hat sich vollständig erholt und ich habe auch keine Hirnschädigungen davongetragen, aber meine Surfkarriere war beendet. Die Muskeln und die Knochen sind einfach nicht mehr zu 100 Prozent stabil.«
»Oh mein Gott«, wisperte ich in die Stille.
»Außerdem haben mir die kaputten Lendenwirbel die Nervenbahnen verengt, weshalb ich manchmal ein Schwächegefühl im verletzten Bein habe. Klar kann ich laufen und Sport treiben, aber nie wieder Extremsport. Würde ich weiterhin professionell surfen, an Wettkämpfen teilnehmen und mein Bein nur eine Sekunde lang nachgeben, wäre ich so gut wie tot. Das ist einfach zu gefährlich«, schloss er monoton die Erzählung.
Er schluckte schwer und seine Arme waren so verkrampft, dass er mich wie ein Schraubstock umfing. Tief durchatmend fuhr er fort. »Monatelang war ich wirklich ... am Ende. Alles, was ich wollte und konnte, war surfen. Klar, nebenbei lief mein Unternehmen, aber das war im Grunde zum Geldanlegen gedacht, niemals, um es zu meinem Beruf zu machen. Zumindest nicht, solange ich noch fit und jung genug war, um auf dem Wasser zu sein.« Ein spöttischer Laut verließ seinen Mund. Ich nahm Adams Hand und zog mit meinem Daumen Kreise auf der weichen Haut. Auch wenn mich dabei ein Blitz durchzuckte, hoffte ich, dass ihn diese Geste beruhigte. Es fühlte sich so wunderbar an. Zu wunderbar.
»Das tut mir sehr leid«, flüsterte ich rau.
»Ich selbst habe keine Erinnerungen daran. Die Ärzte vermuten, das liegt am Sauerstoffmangel, also kann ich nicht sagen, dass ich Angst davor habe, wieder dort zu surfen. Ich bereue es nicht, aber wenn man dem Unfallanalyseteam glaubt, dann hätte ich tot sein müssen.«
Bei seinen Worten zog sich mein Innerstes zusammen. Bilder von diversen Beerdigungen durchzuckten mich. Qualvoll schluckte ich meine Angst hinunter, während er fortfuhr.
»Na ja. Als ich dann nach Monaten aus dem Krankenhaus entlassen wurde, musste ich dieses ganze Muskelaufbau-Zeug durchziehen. Und dann traf ich Kelly. Sie war Teil des Rehateams, das mich betreute und wieder aufpäppeln sollte.«
Eifersucht ergriff von mir Besitz. Mühsam zwang ich mich, den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken. Besitzergreifend stellte ich fest, dass ich mich gerne um ihn gekümmert hätte. Dass ich diejenige hätte sein wollen, die in dieser schweren Zeit, an seiner Seite Wache hielt.
»Ich war wirklich ein Arschloch. Übellaunig. Unzufrieden. Fies zu allen.« Bei der Erinnerung lächelte er, ich hörte es an seiner Stimme. »Ein richtiger Mistkerl war ich. Aber hey«, sagte er in entschuldigender Tonlage. »Surfen war bis dahin alles, wirklich alles, für mich gewesen.«
»Ernsthaft?«, fragte ich ihn neckend, verzweifelt versuchend, die Dunkelheit abzuschütteln und zu vertreiben. »Nicht der Ruhm, die Partys und die Ladys?«
Er schüttelte den Kopf. »War auch cool, keine Frage, aber erst wenn ich auf meinem Brett stand, war ich komplett. Dann war ich Adam Moore, der Adam, der ich sein wollte.« Deutliche Sehnsucht schwang in seinen Worten mit.
»Surfst du heute gar nicht mehr?«, fragte ich und hoffte, er würde es mir nicht übel nehmen.
»Ich stand seitdem auf keinem Brett mehr, nein«, murmelte er, tief meinen Duft einatmend. »Das heißt nicht, dass ich es nicht will. Gott, meine Faszination für die Naturgewalt des Wassers, der Hunger nach dem Glücksgefühl und dem Adrenalinkick, wenn du dieses Phänomen bezwungen hast, hat nicht nachgelassen. Nicht einen Millimeter. Um ehrlich zu sein, juckt es mich in jedem Finger wieder da raus zu gehen und eine Welle zu reiten.« Seine Schraubstockarme lockerten sich ein wenig. »Aber ich bin vernünftig. Zumindest versuche ich, das zu sein. Mein Körper ist lange nicht mehr so in Form wie früher, um nicht zu sagen, die Skala meines Trainingszustandes ist im negativen Bereich.«
»Es wäre Wahnsinn, wenn du da raus gehst«, wisperte ich, meinen Blick ehrfürchtig auf die jetzt sanften Wellen heftend. Momentan war diese Gewalt ruhig, es war aber auch fast windstill.
»Ich weiß. Vermutlich wäre ich tot, wenn etwas schiefgeht und ich mich übernehme. Das respektiere ich. Aber sag das mal meinem Verlangen. Das ist nämlich immer da.«
»Hast du jetzt Angst vor dem Wasser?«
»Nein«, sagte er leise lachend. »Das ist ja das Problem.«
»Aber wenn du keine Angst hast und das Surfen liebst, wieso fängst du dann nicht wieder klein an, mit ... Babywellen?«, fragte ich und kam mir wie ein Idiot vor.
»Baby, ich hab viermal den Weltmeistertitel geholt, willst du mich beleidigen?«, antwortete er empört, aber ich hörte das Lächeln aus seiner Stimme.
»Na ja, besser als gar nicht mehr surfen, oder?«
Fast dachte ich, ich wäre zu weit
gegangen, da er nicht antwortete. Eine lange Zeit nicht.
»Gott, wieso musst du so was sagen?«, grummelte er schließlich frustriert.
»Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
»Bist du nicht. Es ist nur ... Kelly kann es nicht verstehen. Sie kapiert nicht, weshalb ich keine Angst vor Wasser und dem Surfen habe. Sie bekommt nicht in ihren Kopf, dass, egal wie groß die Sehnsucht nach dem Kick ist, ich mich nicht in Gefahr bringen würde. Nicht noch mal!« Er hob die Hand und strich mir eine Strähne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte, hinter mein Ohr. Das Gefühl von Vertrauen schlich sich in mein Herz, als er tief meinen Duft einsog. »Ich hänge ziemlich an meinem Leben, weißt du? Aber sie tickt aus, wenn ich nur mit den Füßen im Meer stehe. Oft sagt sie nichts, ich glaube, sie schluckt es dann einfach. Nur ich merke, dass sie es hasst, wenn ich schwimmen gehe. Und das tue ich jeden Morgen.«
»Und ich habe mich schon gefragt, wo du deine heiße Figur her hast, bei dem, was du nachts in dich reinstopfst!«, sagte ich und drehte mich leicht in seinen Armen, um in sein schönes Gesicht zu schauen. Das markante, wie gemeißelte Kinn, die vollen, wie zum Küssen geschaffenen Lippen. Er sah mich verschwörerisch an, und mir wurde klar, dass er gar nicht wusste, wie sexy und verwegen er aussah.
Unbekümmert und meine Bemerkung übergehend, fuhr er fort: »Das habe ich auf der Reha auch getan, deshalb kann sie da nichts sagen ... aber sie würde sich nie mit mir auf einen Stein setzen wie du zum Beispiel. Aus Angst, wir könnten abrutschen.« Tief seufzte er. Für mich klang es nicht so, als wäre er ... ›Halte dich zurück, du willst ihn ja nur für dich!‹, flüsterte das Engelchen und stützte das Kinn in die Hände.
Wie schon die ganze Zeit, kippte die Stimmung wieder rasend schnell. »Ich bin Kelly dankbar. Sie war in den schwersten Zeiten meines Lebens an meiner Seite. Sie hat nicht ein Mal die Beherrschung verloren und alles über sich ergehen lassen. Ich dachte, das wäre das, was ich will und brauche ... und dann ...« Er brach ab.