Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition) Read online




  Impressum:

  Malibus Gentlemen – Hannah

  von Emily Key

  Erstausgabe August 2016

  Copyright © Emily Key

  https://www.facebook.com/pages/Emily-Key/422306107941504?fref=ts

  Alle Rechte vorbehalten!

  Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

  Cover: Art for your books by Sabrina Dahlenburg

  Lektorat: Anke Neuhäußer

  Korrektorat: Kathi Öttl, Sylvia Mross

  Satz und eBook: Anke Neuhäußer

  Mitwirkende: Uschi Voglsinger

  Veröffentlicht beim:

  A.P.P. Verlag

  Peter Neuhäußer

  Gemeindegässle 05

  89150 Laichingen

  Tel.: 07333-9545750

  email: [email protected]

  www.a-p-p-verlag.de

  Mobi: 978-3-946484-96-7

  E-pub: 978-3-946484-97-4

  Print: 978-3-946484-98-1

  Für die Liebe.

  Die es immer wert ist. Komme, was da wolle.

  Kurzbeschreibung

  Was passiert, wenn die kleine Schwester Schicksal spielt und Unterlagen weitergibt, die sie besser für sich behalten hätte?

  Richtig, die große Schwester verliebt sich.

  Hannah Stone ist die älteste von drei Schwestern. Das ist nicht immer leicht, vor allem dann nicht, wenn man zwar tagein, tagaus aus von Liebe umgeben ist und Hochzeiten plant, aber selbst weit entfernt von einem festen Freund ist ...

  ... bis Adam Moore voller Sex-Appeal, absoluter Gentleman, mehrfacher Surfweltmeister und begnadeter Verführer in ihr Leben tritt.

  Die Wellen werden größer, die Tage in Malibu heißer und das Leben turbulenter.

  Alles wäre perfekt, hätte die Sache nicht einen Haken:

  Adam ist der Bräutigam in ihrem aktuellen Projekt.

  Prolog

  Adam

  Die Surfershorts, welche tief auf meinen Hüften hingen, klebten an meinen Beinen, als ich aus dem Meer stieg. Die Sonne ging gerade über Malibu auf und ich nahm mir einen Moment, genoss den Anblick des zart roten Balles am Horizont. Dort, wo Wasser und Himmel eins wurden, sah es so aus, als würde es brennen. Das ließ mich aufatmen, brachte mir Freiheit und die Gewissheit, dass es einen Grund gab, jeden Morgen so früh aufzustehen, auch wenn die Tage hart und lang waren. Meine Leidenschaft für Wasser verbunden mit Sport kam noch hinzu. Also tat ich all das, was ich tun konnte, um nicht auszuflippen. Wobei ein echter Ausbruch vermutlich mal nicht schlecht wäre, dachte ich leicht deprimiert und drehte mich ab. Locker durch den Sand joggend beschloss ich, mir nicht den noch vor mir liegenden Tag verderben zu lassen.

  Selbst nachdem ich die Holztreppe, welche direkt vom Strand aus auf die Terrasse meines Hauses führte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben gejoggt war, lief das Wasser immer noch in kleinen Rinnsalen über meinen Sportlerkörper. Ich war stolz auf ihn, denn ich versuchte wirklich in Form zu bleiben, auch wenn ich kein Profisurfer mehr war. Schon alleine aus dem Grund, weil ich in der Öffentlichkeit stand.

  Nachdem ich durch ein kleines Wasserbad gestapft war, ansonsten wäre das ganze Haus voller Sand gewesen, betrat ich das Wohnzimmer und hinterließ feuchte Fußspuren auf meinem Weg in die Küche. Ich hörte den Mixer, was hieß, dass Kelly wach war.

  Kelly war meine Verlobte und fantastisch. Vielleicht ein wenig zu sicherheitsliebend, immer auf das Risiko bedacht, nicht konfrontations- und diskussionsfreudig. Manchmal vergaß sie zu leben, aber ich war ihr für alles, was sie für mich getan hatte, dankbar und wir ergänzten uns ... gut.

  »Morgen, Adam«, sagte sie vorsichtig und legte ihre kleine Hand auf den Deckel des Standmixers. »Ich mach dir deinen Lieblingssmoothie.«

  Ich versuchte ein Würgen zu unterdrücken, und riss mich zusammen. ›Sei froh, dass du sie hast, man!‹, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Und das war ich wirklich, nur ... dieses Gurken-Avocado-Kiwi-Ding war eben nicht mein Lieblingssmoothie.

  Genau genommen hasste ich ihn.

  Wie Kelly – meine Verlobte – darauf kam, ihn mir trotzdem regelmäßig zuzubereiten? Ganz einfach: Als ich intensive Betreuung gebraucht hatte, stellten mir meine Ärzte ebenfalls einen Ernährungsplan auf, damit ich fit blieb ... es konnte ja niemand ahnen, dass ...

  »Danke, Kelly!«, sagte ich schnell und unterbrach damit meine Gedanken. Es hatte nun mal keinen Sinn, immer wegen der gleichen Angelegenheiten im Selbstmitleid zu versinken. Somit legte ich meine kühle, nasse Hand an ihre Wange, und Kelly tat das, was sie immer tat. Sie drehte sich weg. Sie mochte es nicht, wenn ich Sport trieb, noch dazu im Morgengrauen, wenn das Wasser eisig war. Kelly verstand nicht, dass es mich beruhigte und mir die Kraft gab, den Tag zu überstehen und zu vergessen. Außerdem – und das hatte ich noch nie jemanden gesagt – war es in solchen Momenten so, dass das Meer und ich eins waren. Dann gehörten mir die Wellen alleine. So wie früher.

  Jetzt, wo ich sie so von der Seite betrachtete, mich mit meinem Hintern gegen den Küchentresen lehnte und mir das Wasser nach wie vor von dem Stoff tropfte, registrierte ich, dass sie es allgemein nicht mochte, wenn ich Sport trieb. Meine Abende versuchte ich mir frei zu halten, um Laufen oder Biken zu gehen. Auch das brachte mir sehr selten ein verständnisvolles Lächeln ein. Mein bester Freund Scott sagte immer, dass sie nicht die richtige Frau sei, wenn ich die Abende lieber mit Fitness, statt Kelly auszuführen oder Kelly zu vögeln verbrachte, aber ich rechtfertigte das damit, dass sie so etwas gar nicht wollte.

  Gerade kippte sie den ›grünen Schleim‹, wie ich das Gesöff wenig liebevoll in Gedanken nannte, in ein Glas und reichte es mir.

  »Lass es dir schmecken, Adam«, meinte sie.

  Dann begann sie, den Behälter abzuwaschen und ich murmelte ein: »Danke!« So würde mein Leben aussehen, weshalb ich damit schleunigst zurechtkommen sollte, morgens grünen Sch..., einen überaus leckeren Smoothie zu trinken, überlegte ich ironisch.

  Gerade als ich die Küche verlassen wollte, hielt mich ihre zarte, fast gebrochene Stimme auf. »Wie geht es dir? Tut es weh?«

  Da ich mit dem Rücken zu ihr stand, sah sie nicht, wie ich einmal kurz, aber genervt, die Augen zukniff. Jeden Tag die gleiche Frage. Und wie jeden Tag war die Antwort dieselbe.

  »Nein, Kelly. Es tut nicht weh. Wie auch? Es ist vier Jahre her.«

  »Du weißt, dass ich es nicht böse meine und es eben jederzeit wieder passieren kann!«, erwiderte sie seufzend und ich fühlte mich so bemuttert wie nicht einmal von meiner eigenen Mom. Sie dramatisierte und überbewertete wie immer. Das Spezialistenteam, das mich damals behandelt hatte, hatte mir versichert, dass es unter normalen Umständen nicht wieder vorkommen konnte. Solange ich nicht länger Extremsportarten nachging.

  Meine Antwort fiel energischer aus als erwartet. Wenn auch nicht laut oder schneidend. »Die Ärzte sagten bei der Kontrolluntersuchung letzten Monat, dass alles perfekt ist. Mach dir nicht immer so viele Gedanken.«

  Erwartungsgemäß zuckte sie zusammen und senkte den Kopf. »Gut«, antwortete sie und beließ es dabei. Auch wenn ich sie nur aus dem Augenwinkel sah, mittlerweile hatte ich mich umgedreht, bemerkte ich, dass sie zitterte. Hölle, daran musste sie arbeiten. Wie sollte die Beziehung mit einer Frau gut gehen, die jegliche Konfrontation scheute und immer nachgab?

  »Denkst du an den Termin heute Nachmittag?«, fragte sie weiter und ich nickte. Wir würden uns mit einer potenziellen Hochzeitsplanerin treffen, denn Kelly war – laut eigener Aussage – zu unsicher, wie sie das Thema angehen sollte.

  Betrachtete man es nüchtern, war sie in allem unsicher.

  »Ja, um fünfzehn Uhr, gegenüber der Polizeistati
on.«

  Kelly nickte leicht. »Gut, dann sehen wir uns da«, sagte sie noch, ehe sie durch die Küche in den angrenzenden Hauswirtschaftsraum und weiter in die Garage ging. Als ich sicher war, dass ihr Motor lief und sie davon fuhr, schüttete ich den Drink in den Ausguss und schlenderte in immer noch leicht feuchten Badehosen zum Kühlschrank, um mir ein ordentliches Frühstück zu bereiten. Eier, Toast, Speck. Auch für einen Sportler wie mich war es wichtig, Fette und Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Wieso das Kelly nicht verstand und wieso ich es nicht klarstellte, das wusste ich nicht.

  Als ich mir schließlich vier Eier, drei Scheiben Toast und eine ganze Packung Speck hineingestopft hatte, bemerkte ich, dass wir uns zum Abschied, wie auch zur Begrüßung, nicht geküsst hatten.

  Weil wir es nie taten.

  Kapitel 1

  Hannah

  »Melissa, lass mich damit in Ruhe!«, sagte ich seufzend und klemmte mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter, als ich mir Kaffee aus meiner altmodischen Filtermaschine nachgoss. »Ich werde mich da nicht reindrängen!«

  »Aber überlege doch mal, was das für dich und deine Karriere bedeutet!«, rief sie in den Apparat und ich hörte, wie sie einige Kleiderbügel hin und her schob. »Das ist die Chance!«

  Sie betonte die Worte so, als wäre sie gerade live auf Sendung. Eines musste ich ihr lassen, reden konnte sie.

  Meine Schwester Melissa arbeitete für einen der größten Sportsender im ganzen Land. Den ISC. Den International Sports Channel. Wenn sie nicht gerade auf irgendwelchen Veranstaltungen rumhüpfte und live moderierte, dann schrieb sie Artikel über Sport, Sportler oder anstehende Veranstaltungen. Deshalb wusste sie auch darüber Bescheid, dass Adam Moore heiraten würde, obwohl die Bombe erst heute Nacht geplatzt war.

  Und ich? Bis vor wenigen Augenblicken hatte ich nicht einmal gewusst, wer Adam Moore war, aber Melissa hatte mich auf den aktuellen Stand gebracht.

  Gütigerweise.

  Adam Moore war sechsmaliger Weltmeister im Surfen gewesen und nun der CEO einer weltweit agierenden Sportfirma, welche Kleidung und Sportartikel auf den Markt brachte und außerdem Jung-Talente förderte. Er war eine Legende unter den Einheimischen von Malibu, stand im Guinnessbuch der Rekorde und war das Vorbild tausender Surfer, die ihm nacheiferten. Außerdem, sofern man Melissa glauben durfte, war er wahnsinnig gut aussehend, jung und reich. Und er war verlobt.

  Hier kam ich ins Spiel.

  Ich war Hochzeitsplanerin und ziemlich erfolgreich, wenn man bedachte, dass von den 33 Feiern, die ich geplant hatte, nur zwei Paare in der Zwischenzeit wieder geschieden worden waren. Niemals würde ich mir anmaßen zu sagen, dass ich daran maßgeblich beteiligt gewesen war, aber ein klitzekleines bisschen hatte ich schon dazu beigetragen.

  Die meisten Ehen starteten bereits mit einem Streit, da sich das Brautpaar oft über irgendwelche organisatorischen Dinge nicht einigen konnte. In einem solchen Fall war ich zur Stelle, kümmerte mich, schlichtete, suchte mit aus, wenn der eine Partner verhindert war, und fühlte mich ganz in die Charaktere ein. Wenn ich mir richtig Mühe gab, konnte ich oft sogar empfinden, wie gut die beiden zusammenpassten.

  »Han, komm schon, die Hochzeit musst du planen!«, jammerte meine Schwester und ich ließ mich an meinem Küchentisch mit dem Kaffee nieder. »Überleg mal, wie Hammer das wäre. Du planst, ich kriege einen Exklusivbericht«, schwärmte sie weiter.

  Das würde niemals passieren, denn auch wenn ich diese Hochzeit unter Vertrag hätte, würde ich nicht die intimsten Geheimnisse über meine Klienten nach außen posaunen. »Ich hab die Ausschreibung verpasst, also wieso sollte ich mich da jetzt reindrängeln?«, murmelte ich.

  »Weil er ein Gott ist«, sagte sie gedämpft und ich hörte, wie sie einen Reißverschluss hochzog. »Überlege mal, was dir das an Werbung einbringen könnte, wenn du so eine Berühmtheit in deiner Kartei hast!«

  Ich stöhnte leicht. »Melissa, ich hab auch so genügend Kunden!«, stellte ich klar. Meine kleine Schwester konnte wirklich penetrant nerven.

  »Scheiße!«, fluchte sie laut. »Ich muss los, ich hab um neun Uhr Redaktionskonferenz. Überleg es dir. Bitte!«

  Nach diesem letzten eindringlichen, dramatischen Flehen verabschiedete ich mich von ihr.

  »Ich hab dich lieb, kleine Schwester.«

  »Ich dich auch, Han, auch wenn ich gerade echt drüber nachdenke, ob du wirklich meine Schwester bist!« Sie lachte schon wieder fröhlich in den Hörer und ich grinste breit, als ich auflegte.

  Melissa war flippig und verrückt und so ganz anders als ich, die eher zielorientiert, klassisch, energisch, diskussionsbereit und offen war. Natürlich hatte ich Träume, aber ich packte einen nach dem anderen an und versuchte sie realistisch zu halten. Es brachte mir ja nichts, davon zu träumen, einen Lamborghini zu besitzen, wenn ich wusste, dass ich mir so einen Schlitten niemals leisten können würde.

  Nein, Träume waren wichtig und gut, solange sie im erreichbaren Radius lagen.

  Ich nahm einen Schluck von meinem schwarzen Kaffee und öffnete das Notebook neben mir. Auch wenn ich den Auftrag nicht annehmen würde, wollte ich dennoch diese mystische Gestalt namens Adam Moore wenigstens einmal sehen.

  Die Ergebnisse, welche die Suchmaschine ausspuckte, waren atemraubend.

  Adam Moore war viel, aber das Attribut schön zählte nicht dazu, stattdessen war er absolut hinreißend, faszinierend, unglaublich männlich und sexy.

  Die Herren, mit denen ich im Allgemeinen ausging, wenn ich ein Date hatte, waren glatt, zielstrebig und gebügelt. Aber Adam Moore schaffte es, nur über die drei Millionen Fotos, die es von ihm gab, auszustrahlen, wie verwegen er war. Eine Versuchung. Männlich. Rau. Versprechend.

  Schnell klappte ich den Laptop zu, als ich spürte, wie ein leichtes Kribbeln zwischen meinen Beinen einsetzte.

  Nein, die Hochzeit von Adam Moore und seiner Verlobten würde ich ganz sicher nicht planen.

  ***

  »Ich verstehe Sie, aber wir wollen nun mal den Zitronenkuchen!«, sagte ich energisch und kniff mit Daumen und Zeigefinger in meinen Nasenrücken. Wieder endloses Geplapper am anderen Ende der Leitung. »Hören Sie mal, wenn mein Brautpaar Zitronenkuchen, ohne irgendeine verdammte Cremefüllung haben möchte, dann bekommt es das, und wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, diese Hochzeitstorte professionell umzusetzen, dann werde ich auf eine der anderen Konditoreien zurückgreifen, die dazu imstande ist«, sagte ich scharf und aufgebracht. »Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«, fragte ich noch einmal, ehe mir nun energisch versichert wurde, dass ein trockener Kuchen überhaupt keine Probleme darstelle. Na also. Ging doch!

  Ich bestätigte noch einmal den Termin in der nächsten Woche, an dem die Feierlichkeiten stattfinden würden, und wohin die siebenstöckige Torte geliefert werden sollte, ehe ich den Hörer auflegte.

  Manchmal war es anstrengend, aber dennoch liebte ich meinen Job. Die meiste Zeit hatte ich es mit rundum glücklichen Paaren zu tun, bei denen die Harmonie und die Liebe fast schmerzlich greifbar war. Als ich durch meinen Terminplaner blätterte, und mir den Rest der Woche ansah, seufzte ich auf. Ich hätte keinen Abend frei, um den schönen, dicken Schmöker auf meinem Nachttisch zu Ende zu lesen. Mussten Claire und Jamie eben warten. Ich verlor mich gerade in der Liebesgeschichte der beiden. Und James Fraser war einfach nur heiß. Besitzergreifend. Maskulin. Sexy. Als ich mich kurz gedanklich in meinem Privatleben verfing, bemerkte ich, dass sich das Bild von Adam Moore vor mein geistiges Auge schob, während ich an den Highlander dachte und dessen visuellen Ausdruck verscheuchte, welchen ich normalerweise vor mir sah. Innerlich verfluchte ich meine Schwester. Verdammte Melissa!

  Entschlossen lenkte ich mich mit Arbeit ab, bevor ich zu meinem nächsten Termin musste. Das Miller-Hochzeitspaar wollte noch einmal den Floristen besuchen, da sie wieder Zweifel wegen der Farbauswahl bekommen hatten. Nun, mein Job war Wahnsinn, aber niemand hatte je behauptet, dass er leicht sein würde.

  »Sie sehen fabelhaft aus, Hannah«, sagte die zukünftige Braut und reichte mir die Hand.

  Leicht lächelnd ergriff ich sie. »Vielen Dank«, antwortete ich und gab das Kompliment zu
rück. Nun, eigentlich war das nicht meine Meinung, da die Klientin in meinen Augen viel zu dünn war. Aber es stand mir nicht zu, darüber zu urteilen. Jeder sollte selbst entscheiden können, wie es ihm gefiel. Bei mir war es so, dass ich mich besser fühlte, wenn ich meine Rundungen behielt. Ich war keines dieser Klappergestelle, die ansonsten in meiner Branche arbeiteten und wie abgemagerte Laufstegmodels aussahen. Nein, meine Figur wurde eher mit einem Pin-up-Girl oder Marilyn Monroe verglichen. Ich mochte meine Kurven. Gut, zugegeben, meine Oberschenkel waren etwas zu dick, aber das tat nichts zur Sache, denn Jeans trug ich sowieso selten. Die meiste Zeit, und auch das hatte ich mir von der Ikone abgeschaut, trug ich Kleider, Röcke, Kostüme und wenn eine Hose, dann eine, die ab dem Po weit wurde und locker über die Beine fiel. Jeder musste mit dem arbeiten, was Gott ihm geschenkt hatte. Und bei mir war es ein großer Busen, gepaart mit weiblichen Hüften. Mein absoluter Pluspunkt, und diesen betonte ich eigentlich immer, war die schmale Taille. Heute trug ich ein hellbraunes Seidenkleid mit weißen großen Punkten, welches ab der Taille weiter wurde und somit meine Oberschenkel kaschierte. Da ich sehr klein war, hatte ich dazu weiße hochhackige Mary Janes angezogen. Wenn ich ehrlich war, besaß ich nur drei Paar flache Schuhe, alles andere waren Hacken in sämtlichen Formen und Längen. Es war, zumindest meine Schwestern nannten es so, der ›Swing Look‹. Mir war es egal, ich fühlte mich darin wohl. Die langen dunkelblonden Haare hatte ich zu einem Knoten in meinem Nacken zusammengefasst und einige Strähnen fielen aufgrund des tief gezogenen Scheitels über meine Stirn. Die cremefarbigen Perlenohrringe, kombiniert mit einem einzelnen Ring, rundeten mein Styling ab. In meiner Branche war es wie bei einem Friseur. Niemand würde sich ein Beautyprodukt von jemandem verkaufen lassen, wenn derjenige, der es anpries, nicht seinen optischen Vorstellungen entsprach. Und so war es bei Hochzeiten. Mit jedem meiner Outfits, das ich zu Kundentreffen trug, zeigte ich, wie die Gäste auf der Hochzeit gekleidet auftauchen würden. Es vermittelte ein Gefühl von Sicherheit, und psychologisch gesehen zeigte es dem Brautpaar, dass ich wusste, was ich wollte. Deshalb, trug ich bei dem ersten Treffen ein klassisches Chanel Etuikleid in sattem, dunklem Rot, ehe ich den genauen Stil des Paares erkennen konnte. Damit konnte man nichts falsch machen.