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Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition) Read online

Page 15

»Ja, das hat er.«

  »Erstaunlich.« Nachdenklich wiegte sie den Kopf hin und her und richtete den Blick wieder geradeaus. »Du musst wissen, die Infos die du dazu finden kannst, sind sehr ... spärlich.« Ja, das wusste ich, denn ich hatte vorher wie eine verdammte Stalkerin mit meinem Smartphone danach gegoogelt. »Niemand, weder er, noch sein damaliger Agent, hatte jemals ein Interview diesbezüglich gegeben, oder Auskunft über seinen Zustand erteilt. Irgendwann hieß es einfach, er surft nicht mehr. Was genau dort passiert ist oder in den Monaten nach dem Unfall, das weiß niemand. Also niemand von der Presse oder vom Fernsehen.«

  Wow. Das wiederum hatte ich nicht gewusst.

  »Es ist also fast eine Ehre?«

  »Irgendwie schon«, stellte sie fest. »Aber außerdem ist es noch um Welten beschissener. Das Körperliche kann man als Ausrutscher bezeichnen, aber wenn man jemandem aus der Vergangenheit erzählt, ihn somit in sein Leben lässt ... Puh!«

  »Auf den Punkt gebracht, kleine Schwester!« Wir kamen gerade bei einer der zahlreichen Strandbars an, wo wir uns jeweils auf einen Barhocker setzten, die rund um den Tresen aus Holz platziert waren.

  »Zwei Mojito, bitte!«, bestellte sie, noch bevor sie ganz saß.

  »Es ist Mittag?«

  »Es ist ein Notfall!«

  Sicherlich würde ich ihr nicht nochmals widersprechen. Sie erinnerte mich erneut daran, wie verzwickt alles war. Tief seufzend zog ich die Brille von meiner Nase und zuckte die Schultern. »Was auch immer«, murmelte ich und ergab mich meinem von Melissa geplanten Nachmittags-Schicksal.

  »Okay, Han. Wir brauchen einen Plan. Du bist verliebt, das erste Mal seit Jahren. Du stehst endlich wieder wirklich auf jemanden ... Was denkst du, wie es bei ihm aussieht?«

  »Na ja, heute Morgen hat er mir auch noch gesagt, dass er an nichts anderes als an mich denkt und er nicht weiß, was das zwischen uns ist. Ich hab es ein bisschen so verstanden, dass er nicht so recht weiß, ob es so gut ist, wenn er Kelly heiratet.« Das war die harmlose Version. Er hatte nämlich genauer gesagt, dass er nicht sicher war, ob das mit Kelly so richtig war.

  »Was?«, brüllte sie und vergaß vor lauter Zuhören die Zwanzig-Dollar-Note loszulassen, die ihr der Barkeeper gerade abnehmen wollte.

  »Shhh«, machte ich. »Geht’s noch lauter? Ich glaube, der da hinten«, vage deutete ich hinter mich, »hat dich noch nicht gehört!«

  »Er heiratet die aus einer seltsamen Form von Dankbarkeit?«

  »Melissa. Ich erzähle dir das als Schwester, nicht als Informationsquelle einer karrieregeilen Reporterin, ist das klar?« Drohend hob ich meinen Finger vor ihr Gesicht.

  »Schwestern-Ehrenwort. Was denkst du von mir?«

  »Entschuldige. Es ist nur ...«

  »Schon okay«, unterbrach sie mich. »Er heiratet die aus Dankbarkeit?«, wiederholte sie ihre Worte etwas leiser und stieß mit ihrem Glas gegen meines. Während sie einen tiefen Schluck nahm, rührte ich immer noch mit meinem Strohhalm die Eiswürfel und die Minze hin und her.

  »Ja, ich glaube schon. Sie war seine Physiotherapeutin.«.

  »Er heiratet seine Krankengymnastin, weil sie ihn wieder aufgepäppelt hat?«, fragte sie mich zusammenfassend. Ich nickte lediglich, da ich jetzt einen Schluck brauchte. »Er ist nicht in sie verliebt?«, rückversicherte sie sich ebenfalls.

  »Ich weiß nicht. Ich denke, er empfindet was für sie, ansonsten wäre er doch nicht mit ihr zusammen. Aber ob er sie so vergöttert wie Dad unsere Mom ... das glaube ich nicht. Vor allem hat er mir ein bisschen was erzählt und irgendwie, also, ich glaube, sie hat ständig Angst um ihn. Aber das passt ja zu dem Eindruck, den ich von ihr habe. Dass sie ihn nicht vergraulen will und Schiss hat, ihn zu verärgern«, laberte ich in einer Tour alles herunter, was mir durch den Kopf ging.

  »Du verarschst mich?«

  »Nein, ich sage dir das, was er mir gesagt hat«, erwiderte ich trotzig. Als hätte ich bei diesem Thema Witze gerissen!

  »Also wenn das wahr ist, dann ist das irre!«, rief sie und exte ihren Drink. »Noch so einen, bitte!«

  Meine Stirn legte sich in Falten. »Das ist das, was er gesagt hat«, wiederholte ich energischer. »Kannst du mal aufhören, alles infrage zu stellen, was ich dir erzähle?«

  »Sorry. Es ist nur so ... wie bescheuert ist das denn bitte?«

  »Ich weiß«, murmelte ich und seufzte tief.

  »Was tust du jetzt?«

  »Das wollte ich doch von dir erfahren!« Ich leerte meinen Drink ebenfalls und hob mein Glas zum Zeichen, dass ich einen neuen brauchte.

  »Du musst dir überlegen, was du willst, Hannah«, sagte sie nachdenklich. »Willst du es versuchen, dann zerstörst du vielleicht eine Beziehung, von der wir aber denken, dass sie nicht ganz so glücklich ist, wie eine Partnerschaft kurz vor der Ehe sein sollte. Oder gibst du ihn auf und brichst dir damit das Herz? Fuck, ich finde, wir sollten auf Shots umsteigen!«

  »Scheiße.« Ich stützte meinen Kopf in meine Hände. »Wenn du es so sagst, klingt es ernsthaft beschissen.«

  »Na ja, als Spaziergang würde ich diese Situation nicht unbedingt bezeichnen ...« Melissa lächelte mich mitfühlend an.

  Was wollte ich?

  Was sollte ich tun?

  »Entscheide dich nicht jetzt«, fuhr sie fort. »Aber denke darüber nach und sprich Klartext mit Adam.«

  »Verdammter Mist!«

  »Weißt du, wenn ich uns drei Mädels nehme, dann hätte ich das weder Holly noch dir zugetraut. So was ist eigentlich eher mein Gebiet!«, fasste sie in Worte, was der Tatsache entsprach. Unsere jüngste Schwester Holly, welche noch am College war, würde so etwas niemals machen. Sie war ein wohlbehütetes, freundliches Mädchen das gerne Rosa, Pink und Blusen trug. Sie würde niemals ... Gut, andererseits hatte ich das von mir auch gedacht. Melissa hingegen hatte sich schon immer mit den Bad Boys rumgetrieben. Sie genoss ihr Leben in vollen Zügen, nahm mit, was auch immer sich ihr bot, und hatte keinen genauen Plan für ihre Zukunft. Holly und ich waren da einfach anders. Eher so wie unsere Mom. Melissa kam nach unserem Dad. Wobei ich nicht darüber nachdenken wollte, ob er vor Mom ...

  »Spricht nicht unbedingt für dich, Schwester!«, wandte ich ein und prostete ihr zu.

  Melissa legte tröstend den Arm um mich. »Aber hey, immerhin hat diese Situation etwas Gutes, oder?«

  Fragend hob ich eine Braue. »Na ja, ich trinke ansonsten nicht einfach so mittags schon Mojitos. Aber wenn es ... spezielle Umstände erfordern? Dann finde ich schon, dass es legitim ist.« Ihr Dackelblick brachte mich zum ersten ehrlichen Lachen, seit wir uns getroffen hatten. »Alles kommt so, wie es für dich vorbestimmt ist, Han. Und ehe wir uns versehen, planen wir deine Hochzeit.«

  »Du glaubst an Bestimmungen?« Spöttisch verzog sich mein Mund.

  »Bist du wahnsinnig? Ich bin Journalistin!«, setzte sie lachend dagegen. »Aber deine Welt ist rosarot ... im Normalfall. Na gut, und momentan eher ein bisschen mehr nuttiges Rot-Pink-Gemisch, aber das wird wieder.«

  »Sehr aufbauend.«

  »Dafür sind Schwestern da!«, erwiderte sie, erneut kichernd und schaffte es, mich bis in die frühen Abendstunden so abzulenken, dass ich das Gefühl der Verliebtheit genießen konnte. Irgendwie war es ihr gelungen, mir zu vermitteln, dass es in Ordnung war und ich mich nicht billig fühlen musste. Außerdem hatte Melissa mir mit ihren Geschichten erfolgreich klargemacht, dass es legitim war, sich zu nehmen, was man begehrte.

  Oder vielleicht sogar liebte.

  Kapitel 14

  Hannah

  Noch im Laufen öffnete ich den Reisverschluss des taillenhohen Bleistiftrocks und zog ihn mir über den Hintern und die Beine. Es war ein mieser Tag gewesen. Ein richtig, richtig mieser Tag.

  Nachdem ich wieder nüchtern gewesen war, hatte ich lange über die Worte meiner Schwester nachgedacht. Ich war zu dem Entschluss gekommen, dass ich ihn ziehen lassen musste. Dringend. Da meine Gefühle für ihn niemals erwidert werden würden, wäre alles andere aussichtslos und verschwendete Zeit. Im Grunde durchlebte ich die normalen Phasen und Zweifel die eine Frau am Anfang einer Beziehung beschlichen. ›Welcher Anfang?‹, murmelte der Teufel h�
�hnisch.

  Ich atmete auf, als sich die Bluse, welche ich in Rot passend zum Rock, getragen hatte, locker um meinen Körper schmiegte. Sie war lang und luftig, dass sie gerade so meinen Po bedeckte. Als würde es zur Routine werden, griff ich nach einer Flasche Wein und goss ihn in ein Glas, ehe ich meine Schwester anrief.

  »Melissa Stone.«

  »Ich bin’s!«

  »Hi. Alles klar?«, fragte sie.

  »Geht so«, murmelte ich an meinem Wein nippend. »Du kannst stolz auf mich sein!«

  »Ach?« Ich sah förmlich vor mir, wie ihre Braue in die Höhe schoss. »Weil?«

  »Er schreibt mir. Ich reagiere nicht!«

  Sie wusste sofort, worüber ich sprach. »Wie lange schon?«

  »Seit wir uns an dem einen Nachmittag mit billigen Mojitos betrunken haben!«

  »Das ist fünf Tage her!«, stellte sie fest.

  »Ja.«

  »Und seit dem Tag antwortest du ihm nicht?«

  »Richtig. Und ich geh auch nicht ans Telefon!«

  »Was? Warum?«

  »Weil«, erklärte ich tief seufzend, »weil es nichts bringt!« Wollte ich hier meine Schwester überzeugen oder mich selbst?

  »Moment mal Stone!«, rief sie und schien sich aufrecht hinzusetzen, weil ihre Stimme plötzlich klarer klang. »Der Mann sagt dir, er kann nur noch an dich denken. Er ruft dich an, schreibt dir Nachrichten und du antwortest nicht. Er bettelt um deine Aufmerksamkeit, und deshalb ignorierst du ihn jetzt?«

  Gut, wenn sie das so formulierte, dann klang es ein wenig ... kindisch. »Zusammengefasst ...!«

  Sie stöhnte in das Telefon. »Gott, du bist wirklich dumm!«

  »Hey! Pass auf, was du sagst«, brummte ich mies gelaunt in den Hörer.

  »Na ist doch so!« Melissa schnaubte laut. »Er sagt dir ... all diese schönen Dinge, und du bekommst Panik? Ernsthaft? Was kann denn jetzt noch schlimmer werden, als es eh schon ist?« Sie kaute auf irgendwas herum. »Ich meine, sein Schwanz war doch schon in dir.«

  »MELISSA!«

  »Also Frau Idiotin! WARUM frag ich mich?«

  »Ja«, murmelte ich und seufzte tief. »Es ist falsch. Darum antworte ich ihm nicht.« Erzähl ihr doch einfach, dass du eifersüchtig bist.

  »Was hat er denn geschrieben oder gesagt?«

  Nun, ob ich das wirklich erzählen wollte, das wusste ich nicht. Ich hatte nicht so weit gedacht, dass Melissa – obwohl ich sie hätte besser kennen sollen – danach fragen würde.

  Ich war hin und her gerissen, ob ich diese kleine Information teilen wollte, denn Adam hatte mir geschrieben.

  Mehrmals.

  Am Anfang hatte er nur wissen wollen, ob es mir gut ging und was ich so tat. Dann schickte er mir eines dieser witzigen Bildchen, von denen er sich sicher war, dass es mich zum Lachen bringen würde. Damit hatte er zwar Erfolg, aber ich blieb weiterhin still. Als ich darauf nicht reagierte – auch nicht, nachdem ein bisschen Zeit vergangen war -, rief er mich an. Natürlich nahm ich nicht ab, denn ich hatte ja nur wenige Stunden vorher beschlossen, dass es keine gute Idee war, sich weiter in die Sache mit Adam zu verrennen. Daraufhin bekam ich Nachrichten, in denen er mich fragte ›Was zur Hölle ist los?!‹.

  Ich ignorierte sie.

  Fairnesshalber sollte man dazu sagen, das Mr. Moore nicht wusste, was ich gesehen hatte. Und dass er nicht wusste, was ich fühlte.

  Als ich nach der nachmittäglichen Mojito Session mit Melissa nach Hause gekommen war, hatte ich ihn gegoogelt. Ihn und das Surfen. Zwar war ich betrunken gewesen, aber mein Kopf war dennoch klar genug, um aufzunehmen, was sich vor mir erstreckte.

  Als eines der sieben Milliarden Ergebnisse war ein Video aufgetaucht. Ein Film, der ihn beim Surfen zeigte. Erst als ich ihn fast komplett durchgesehen hatte, verstand ich, dass es eine Aufnahme von dem Unfall war. Adam stand am Anfang sicher und gut trainiert auf dem Board. Er lachte sein strahlendes Zahnpastalächeln, er war dunkelbraun gebrannt und seine Haare standen in allen Richtungen, in sämtlichen Farbtönen von blond bis dunkel zerzaust ab. Schemenhaft konnte ich erkennen, dass einzelne Tropfen des Wassers auf seiner Brust schimmerten, als er aufs Brett stieg.

  Und dann wurde es schrecklich. Es war entsetzlich mit anzusehen, wie die Menge jubelte und dann auf einmal verstummte. Nur noch das Rauschen der Wellen, und die schwache Stimme des Kommentators waren zu hören. Es war in schlechter Qualität, da es vermutlich mit einer Handykamera gedreht wurde. Aber es zeigte alles Relevante.

  Das war der erste lähmende Schock, den ich erlitten hatte und der mich einige Tränen gekostet hatte.

  Der zweite Clip stammte aus der Zeit, in der er die Klinik verlassen hatte. Ebenfalls von einem seiner Fans aufgenommen. Offensichtlich Wochen nach dem Unfall. Seine Haut war blass, das Gesicht eingefallen. Eine schwach lächelnde Kelly stand hinter ihm und schob den Rollstuhl. Ihre Augen waren so voller offensichtlicher Zuneigung für diesen Mann, dass es mir die Luft abschnürte. Es stand deutlich in ihrem Gesicht, dass sie zu jenem Zeitpunkt schon miteinander im Bett gewesen waren. Nicht nur die ehrlichen Gefühle, sondern auch jener spezielle Glanz, den ein Mensch empfand, wenn er sich verliebt hatte und befriedigt war, zog sich über ihr Gesicht. Eifersucht durchströmte mich. Sie ergriff von mir Besitz und streute ihr Gift wie verheerende Krebszellen in meine Adern. Bis jetzt. Sie ging nicht mehr, wurde zu meinem Schatten und pikte mich, wann immer sich die Gelegenheit bot, schmerzhaft in mein Herz. Natürlich war es nicht rational, denn ich hatte kein Recht sie zu empfinden, aber davon wollte mein Herz nichts wissen. Als mir klar wurde, dass meine Gefühle schon so fortgeschritten waren, dass ich an dieser Empfindung der Missgunst zugrunde gehen würde, war ich gelähmt.

  Ich schaltete von der lebhaften Hannah Stone in den Autopilotenmodus.

  In jenem Moment beschloss ich, dass ich mich von ihm fernhalten würde, denn wenn jemand diese schwere Zeit, all diese Wochen und für die Dauer des Genesungsprozesses an seiner Seite gewesen war, dann hatte er ihn verdient. Kelly war ein fabelhafter Mensch. Ich erkannte, dass meine Mutter sich andernfalls für mich schämen würde. Wenn ich seiner Physiotherapeutin ihr Glück nicht gönnen würde.

  Mühsam unterdrückte ich die fast überkochende Eifersucht erneut und zwang mich in den Autopilotenmodus zurück.

  »Erde an Hannah. Erde an Hannah!«, hörte ich die Stimme meiner Schwester aus der Ferne zu mir hindurchdringen.

  »Ich ... Sorry. Was?«

  Sie schmunzelte. »Wohin bist du jetzt abgetaucht?«

  »Entschuldige. Nicht wichtig. Also was?«, fragte ich abermals und lenkte von der schmerzhaften Erinnerung ab.

  Es funktionierte.

  Fast.

  »Du gefällst mir gar nicht. Ist alles in Ordnung?«

  »Aber sicher!«, antwortete ich betont fröhlich. Wieso hatte ich sie gleich noch mal angerufen?

  »Hannah, hör auf mich zu verarschen. Was ist hier los?«

  »Ich bin einfach nur eifersüchtig!«, gestand ich leise. »Außerdem weiß ich, dass ich ihn ziehen lassen sollte, aber ich kann es einfach nicht.« Das war die Wahrheit. Die dunkle, fiese Wahrheit. Es brächte nicht einmal etwas, wenn ich mir die Worte ›lass ihn in Ruhe‹ auf die Hand tätowieren würde. Ich spürte, wie die Tränen mir die Kehle zuschnürten. Ich hasste es zu weinen.

  »Bist du?« In ihrer Stimme schwang Hoffnung mit. »Dann lass ihn nicht gehen!«

  Ich beschloss, den ersten Teil des Satzes zu ignorieren. »Leider ja.«

  »Das ist gut!«

  »Nein, ist es nicht!«

  »Spinnst du?«, rief sie aufgebracht in den Hörer. »Endlich lässt dich wieder jemand fühlen!«

  Gut, damit hatte sie recht. Es war wahr. Endlich war da wieder jemand, der mich empfinden ließ. Ernste Gefühle. Nicht so ... halbherzige Angelegenheiten, wie sie die letzten Jahre stattgefunden hatten. Allerdings überwog momentan der Schmerz. Nur bevor ich das zugab, würde ich mir eher ein Bein amputieren.

  »Wieso bist du eifersüchtig?«, stichelte sie weiter, ehe ich antworten konnte.

  »Er hatte Sex mit ihr.«

  Ihr leises Lachen prasselte wie Nadelstiche auf mich ein. »Natü
rlich. Die beiden sind zusammen, Hübsche!«

  »Arschloch!«

  »Woher weißt du eigentlich, dass sie vor Kurzem Sex hatten?«

  »Vor Kurzem? Nein. Damals, als er aus der Reha entlassen wurde. Da hatten sie definitiv vorher Sex!«

  Meine Schwester lachte schallend.

  »Vielen Dank auch«, nuschelte ich in den Hörer. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«

  »Auf deiner«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Aber sie sind eben ein Paar!«

  »Ich weiß«, wisperte ich ergeben. Meine Stimme brach erneut. Plötzlich war ich am Ende meiner Kräfte. »Und ich plane ihre Hochzeit.«

  »Oh Baby!«, flüsterte Melissa auf jene Art resignierend, wie nur ein Mensch, dessen Liebe du besitzt, empfinden konnte. »Scheiße!«

  »Ein wenig«, schniefte ich und zwang mich die Tränen zu unterdrücken. »Also wunder dich nicht, wenn ich ein wenig die Autopiloten Hannah bin, okay?«

  »Geht klar, Süße!«, antwortete sie traurig. »Verflucht, echt. Sollen wir am Wochenende mal einen Mädelsabend planen?«

  Wieder schniefte ich. Als würde das irgendetwas helfen. »Das wäre glaube ich toll«, sagte ich tief durchatmend.

  »Gott, dieser Wichser!«, rief sie plötzlich. »Morgen ist das Interview! Ich werd ihm seinen Scheißsurferarsch aufreißen«, schnaubte sie. »Der kann was erleben!«

  »Hör auf, Melissa!«, flüsterte ich. »Das bringt nichts!« Ich fuhr mir mit der Hand undamenhaft über das Gesicht. »Und unprofessionell ist es auch!«

  Sie schien kurz zu überlegen. »Okay, Baby. Pass auf! Ich muss jetzt zu einer Benefiz-Sportveranstaltung. Aber am Wochenende ziehen wir beide Mal wieder so richtig um die Häuser, okay? Wir brezeln uns auf, tragen Zehn-Zentimeter-Highheels und flirten, was das Zeug hält, ja? Und dann verdrängen wir diesen Scheißkerl aus deinen Gedanken!«

  Schwerfällig schluckte ich den Kloß in meinem Hals. »Ich glaube, das wäre sehr gut!«

  »Geh nicht unter, Baby, Wonder Woman rettet dich!« Damit entlockte sie mir ein Kichern, welches in Schluckauf endete. Wann war eigentlich alles so schwer geworden?