Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition) Read online
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»Wir telefonieren morgen noch mal, ja?«
»Okay. Bis morgen und schönen Abend!«, antwortete ich.
Das ganze Ausmaß meiner Verzweiflung, meines ganzen Sehnens, war mir erst durch dieses kurze, eigentlich nichtssagende und dennoch unfassbar gewichtige Gespräch bewusst geworden. Die Eifersucht war ein rasendes, brechendes Gefühl, das mich fast in die Knie zwang. Melissa hatte recht, wenn sie mich darauf hinwies, dass, auch wenn es schreckliche, schlimme, ganz furchtbare Empfindungen waren, die positive Seite überwog.
Und obwohl ich den Eindruck hatte, ich würde daran zerbrechen, stimmte das nicht.
Denn alles was uns beschäftigt, und sei es noch so negativ, hält uns am Leben.
***
Das schrille Klingeln an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Seit ich das Gespräch mit Melissa beendet hatte, stand ich in der Küche, bewegte mich nicht vom Fleck und starrte auf mein Glas. Während ich noch darüber nachdachte, ob ich den Eindringling in meine Ich-bemitleide-mich-selbst-Welt einfach ignorieren sollte, drückte derjenige, der auf der anderen Seite stand, erneut auf den Knopf. Und zwar konstant. Ohne Unterbrechung.
»Herrgott, kann man nicht ein Mal seine Ruhe haben?«, rief ich sauer und riss die Türe auf.
»Nein, kannst du nicht!«, knurrte Adam offenbar verstimmt und drängelte sich an mir vorbei. Perplex sah ich ihn an. Seine Augen funkelten genauso kampflustig wie meine. Seufzend ließ ich ihn das kurze Blickduell gewinnen und schloss die Türe.
»Was willst du hier?«, fragte ich und ging in Richtung Küche.
Wein. Wein würde mir helfen.
»Echt jetzt?«, murmelte er und ich hörte, wie er mir hinterherkam. »Du ignorierst mich seit Tagen. Mal wieder.« Er lehnte sich an die Küchentheke und verschränkte die Arme vor der Brust. So, dass sich das schwarze Shirt fast anmaßend sexy um seinen Bizeps spannte.
Ich hasste das Ziehen, das er trotz meiner Vorsätze in meinem Unterleib auslöste. Arschloch!
Natürlich ignorierte ich ihn.
»Ist dir aufgefallen, was?«, zickte ich ihn an und nahm einen großen Schluck aus meinem Glas. Himmel bist du erbärmlich.
»Verflucht Hannah, was ist hier los?«, fragte er mich nun etwas ruhiger. Jedoch verschwand die lässige Körperhaltung. »Ich fühle mich in der Zeit zurückversetzt, denn diese Scheiße hatten wir doch erst vor zwei Wochen!«
»Du wirst heiraten!«, keifte ich das Offensichtliche. Es tat gut, ihm diesen Mist an den Kopf zu knallen. Wenigstens besaß er den Anstand, schuldbewusst zusammenzuzucken.
»Das ist aber nicht neu«, sagte er leise, sich bewusst, dass er meine Wut damit nicht abkühlte. Gequält schloss er die Augen, kniff sich in den Nasenrücken und holte anschließend tief Luft. Mit seiner weichen Hand fuhr er sich in den Nacken und rieb darüber. Die Bewegung verströmte noch mehr vom Geruch seines Aftershaves. Der Gedanke, dass Kelly es jeden Tag riechen durfte, brachte mich fast zum Würgen. »Was ist hier los, Hannah?« Da ich wieder so in Gedanken gewesen war, hatte ich nicht kommen sehen, dass er sich auf mich zubewegte. Nun stand er direkt vor mir und ich ließ die Schultern hängen. Eigentlich sollte er doch gar nicht merken, was hier los war. Eigentlich ... sollte er sich einfach von mir fernhalten.
»Was ist los, Baby?«, stellte er die Frage erneut und hob mit seinen leicht rauen Fingerspitzen mein Kinn an. »Sag es mir, Hannah, ansonsten kann ich dir nicht helfen.«
Mein Blick heftete sich auf sein Gesicht. Er sah müde aus und das Blau seiner Augen wirkte leer.
»Du schläfst mit ihr«, wisperte ich gebrochen. »Und ich kann nichts dagegen tun.« Da sich meine Augen mit Tränen füllten und kurz davor waren, überzulaufen, wandte ich den Blick ab.
»Oh Baby!«, hauchte er, legte vorsichtig beide Hände an mein Gesicht und zog beschützend, mich an seinen Oberkörper. Als meine Wange seine vom Stoff überzogene Brust berührte, kullerten die Tränen.
Binnen Sekunden war sein Shirt durchnässt. »Scheiße!« Fest drückte er mich an sich und sein Duft umwebte mich. Wie weiche Federn lullte er mich ein.
»Ich will nicht, dass du mit ihr schläfst«, sagte ich wenig damenhaft schniefend. »Ich will nicht, dass du sie berührst« Diese Worte auszusprechen presste mir die Lungen zusammen wie eine verdammte Luftpumpe.
Adam gab mir einen Kuss auf den Scheitel. Tief seufzte er.
»Ich schlafe nicht mit ihr«, gestand er schließlich kaum hörbar. Durch mein Geheule war ich mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Ich drückte mich leicht von seiner Brust ab.
»Was?«, fragte ich nach und Adam ließ seinen Blick über mein verheultes, geschwollenes Gesicht gleiten.
»Ich schlafe nicht mehr mit ihr. Schon seit einigen Wochen nicht.«
Meine Augen weiteten sich, und meine Unterlippe bebte, als er fortfuhr: »Nicht mehr, seit das mit dir ...«
Diese wenigen Worte, die er ausgesprochen hatte, bewirkten, dass die beißende Eifersucht ganz plötzlich zurückwich, und das Elixier der warmen, einzigartigen Liebe durch mich hindurchfloss. Die Tränen versiegten und ich atmete tief durch. Erlaubte mir jetzt vollends zu genießen, dass sein Duft durch mich hindurchströmte und einen Punkt auf die Erinnerungsliste der wundervollsten Dinge hinzufügte, die ich je erlebt hatte.
»Ah, da ist sie ja wieder!«, murmelte er lächelnd und schob seine Hand durch mein Haar in meinen Nacken und drückte mich weiterhin an sich.
Nachdem ich es kurz genossen hatte, stemmte ich mich leicht gegen ihn. »Es tut mir leid«, sagte ich schließlich und das weiche Lächeln, das seinen Mund umspielte, brannte sich in mein Herz. »Aber?«
»Alles gut, Baby«, erwiderte er und griff mit seinem Zeigefinger unter mein Kinn und drückte mir einen leichten Kuss auf die Lippen. »Jetzt habe ich dich ja wieder. Mit dem bisschen Eifersucht komm ich klar.«
Müde lächelte ich. Würde ich damit klarkommen? Wäre es für mich in Ordnung ständig dieses miese Gefühl zu empfinden?
»Nicht wieder zurückziehen, Hannah!«, wies er mich sanft zurecht und ließ seine Finger über meine Wangen wandern. »Hast du Lust auf ein Date mit mir?«, fragte er mich jetzt und erstaunt sah ich ihn an.
»Date?«
»Ja, hier! Wir essen zusammen und dann sehen wir uns einen Film an?«
»Du willst mit mir kochen?«, vergewisserte ich mich und er nickte leicht.
»Aber klar, solange es mit Fleisch ist.«
Ich lachte auf. »Was?« Abwehrend hob er die Hände. »Stell nicht meine Männlichkeit infrage, in dem du mich zwingst Zucchini oder so was zu essen, Babe!«
Auf einmal war alles wieder so leicht zwischen uns, wie vor meinem Eifersuchtsanfall.
Nachdem wir uns Tagliatelle mit Pfifferlingen und Rinderfilet zubereitet hatten, saßen wir vor dem Fernseher und Adam hielt die Fernbedienung in der Hand. Er lag halb schräg auf meinem Sofa und ich vor ihn gekuschelt. Gerade schimpfte er vor sich hin, dass meine Blue-Ray-Auswahl für ›Mädchen‹ war und er unbedingt ein bisschen mehr männliches Flair in die Sammlung bringen musste. Ich lag einfach nur entspannt vor ihm, kuschelte mich an seinen warmen, weichen Körper und grinste. Er war so süß, wenn er sich gespielt verzweifelt darüber aufregte, dass es nichts Anständiges zu sehen gab, ehe er bei einem alten Western hängen blieb.
»Bud Spencer? Ernsthaft?«, fragte ich ihn und hob eine Braue.
»Baby, das ist ein Klassiker, mein Herz bricht, wenn du das so ... runtermachst!« Dramatisch griff er sich an seine Brust und legte dann die Hand auf die Wölbung meiner Hüfte. Er verschob den Stoff meiner roten Bluse ein wenig und tanzte mit seinen Fingern nun über meine nackte Haut. Ich genoss unser Geplänkel.
»Pretty Woman ist auch ein Klassiker, zwing ich dich deshalb, ihn mit mir anzusehen?«, setzte ich entgegen und das unwiderstehliche sexy Grinsen schlich sich auf seine Lippen.
»Julia Roberts, richtig?«
»Jepp«, sagte ich nickend und beobachtete, wie Bud und Terence gerade irgendeinen Typen vermöbelten.
»Sie ist heiß. Ich mag ihren Mund«, antwortete er schulterzuckend. »Also, wenn du ihn sehen willst, Baby?«
Irrationalerweise durchzuck
te mich erneut Eifersucht. Himmel, das war eine Schauspielerin. Niemals würden sich die beiden kennenlernen. Das war doch alles total irre. »Danke nein. Ich will ihn nicht sehen«
»Was, wegen des Mund Kommentars?«
»Ich kann nie wieder ihr Lächeln genießen, weil ich ab jetzt daran denken muss, wie du gerne deinen Schwanz in ihren Mund schieben willst!«, sagte ich und stöhnte verzweifelt auf. »Danke, Adam, danke, dass du mir einen meiner Lieblingsfilme zerstört hast.«
»Hey, das mit dem Schwanz und dem Mund, das kam von dir.« Heiser lachte er, und ich spürte seinen Kuss auf meinem Haar. »Ich meinte einfach nur, dass ich ihr Lächeln hübsch finde!«
»Aber sicher. Was ist denn dein Lieblingsfilm?«, fragte ich ihn, um diese Diskussion über Julia Roberts Mund zu beenden.
»Ganz klar. Keine Diskussion. Star Wars!«
»Echt jetzt? Das ist totaler Fake!«
»Das sind deine Liebesschnulzen auch!«
»Aber sie sind wenigstens schön. Und romantisch. Mit Happy End!«
»Gibt’s bei Star Wars doch auch, denn immerhin findet ja Luke seinen Vater!« Das brennende Gefühl seines Fingers, der weiterhin Kreise auf meiner Haut malte, lenkte mich ein wenig ab. Eine winzige, unschuldige Berührung, die mich in den Wahnsinn trieb. Das war nicht gut.
»Okay, vielleicht haben wir filmtechnisch einfach nicht den gleichen Geschmack«, nuschelte ich und rollte die Augen, als die beiden Fernsehriesen sich jetzt selbst beweihräucherten, wie gut sie die anderen Typen doch vermöbelt hätten.
»Glaub ich nicht.« Seine Stimme klang nachdenklich. »Wie stehst du zu James Bond?«
»Die Alten oder die Neuen?«
»Spielt das eine Rolle?«, fragte er.
»Selbstverständlich!«
»Dann die Neuen inbegriffen!«
»Okay«, sinnierte ich und drehte mich halb in seinen Armen. Adam legte sich auf den Rücken und ich kuschelte mich an seine Seite. Schob eines meiner Beine angewinkelt über seine, legte meinen Kopf in die Mulde zwischen seinem Arm und seiner Brust, und meine Hand ruhte über seinem Herzen. »Also, wenn Daniel Craig da mit reinfällt, dann find ich James Bond ziemlich toll!«
»Du stehst auf den Typ?«
»Ich steh auf Männer in Anzügen«, stellte ich klar. »Das ist ein Unterschied!«
»Also stehst du auch auf mich?«
Wusste er das etwa nicht? »Naja, du trägst gerade keinen Anzug, oder?« Gespielt nachdenklich runzelte ich die Stirn. Adam riss empört den Mund auf.
»Du ziehst diesen Craig-Typen mir vor?«, fragte er und das amüsierte Funkeln, das durch seine Augen zog, wärmte mich von innen.
»Na ja«, begann ich. Der Arm, den er über meinen Rücken zu meiner Taille geschlungen hielt, festigte sich. »Also ...«
»Also was?«
»Also, ich sag mal so, wenn ich ihn treffen würde und du im selben Raum wärst ...«
»Ja?«
»Moment, Zwischenfrage, hast du einen Anzug an?«, zog ich ihn grinsend auf.
»Wenn ich dann diesen Typen aussteche, ja!«
»Mh!«
»Hannah!«
»Okay, okay«, sagte ich laut lachend, als ich sein empörtes Gesicht sah. Leicht streckte ich mich und strich mit meinen Lippen über seine. »Ich würde dich nehmen!«
»Puh!« Seufzend stieß er die angestaute Luft aus. »Und ich dachte schon, ich kann nie wieder James Bond gucken!«
Sanft erwiderte er den Kuss, und als er mit seiner Zunge in meinen Mund glitt, wurde mir bewusst, dass es wirklich so war.
Egal welcher Mann mit im Raum war, egal wie er aussah, ich hätte Adam gewählt.
Kapitel 15
Adam
In den vergangenen Jahren hatte ich eine Art Routine entwickelt. Meinen persönlichen Ablauf für Interviews. Wenn man daran arbeitet, berühmt zu werden, zumindest in der Sportszene, hat man diverse Scouts, die nur darauf gedrillt sind, dir beizubringen auf welche Fragen du wie antwortest. Oder eben, wie viele Worte du gebrauchst, um nichts auszudrücken. Interviews, Fotos und Klatschspalten, das sind die Dinge, die dich beliebt machen, die dich deinen Fans nahe bringen, die dich menschlich erscheinen lassen. Deine Anhänger wollen Leben, Skandale und Spaß sehen, aber es darf niemals abstoßend wirken. Es sei denn, du bist derart beliebt, dass sie dir deine Eskapaden vergeben. Und wenn du einen extrem guten Agenten hast, dann schafft er es sogar, die Presse dahingehend zu lenken, dass du nicht ein einziges Interview zu deinem Unfall führen musst. Das heute war eines der wenigen Gespräche gewesen, denen ich zugestimmt hatte. Und das einfach nur, weil wir einen Deal hatten.
Die Reporterin hatte mir die beste Hochzeitsplanerin der Stadt versprochen, wenn ich ihr im Gegenzug für einige Antworten parat stehen würde. Und nach dem Dilemma mit der ersten Planerin ...
»Mr. Moore?«, sagte meine Assistentin durch die Sprechanlage. »Miss Stone vom ISC ist da.«
»Alles klar, bringen Sie sie in den Meetingraum, ich bin gleich bei ihr.«
Heute war das Interview mit Melissa Stone vom International Sports Channel. Ich wusste durch ihre ›Erpressung‹, dass sie Hannah’s Schwester war, da sie mir damals die Unterlagen gegeben hatte ... jene, die mein Leben so gravierend verändert hatten. ›Gott, was denke ich eigentlich für eine Scheiße?‹, fragte ich mich in Gedanken und schüttelte über mich selbst den Kopf. Nicht Hannah sollte mein Leben verändern, sondern Kelly.
Und doch war es so, dass ich den gestrigen Abend mit ihr heillos genossen hatte. Meine Verlobte war momentan in San Francisco und würde erst am Sonntag wiederkommen. Das wäre in drei Tagen, und ich hatte definitiv vor, diese Zeit zu nutzen. Für mich alleine. Um mir darüber klar zu werden, was genau ich eigentlich wollte. Was werden sollte und wie ich es mir vorstellte. Nun gut, ehrlich gesagt, wollte ich mich nur mühelos in Hannah verlieren, anstatt mich mit irgendetwas auseinanderzusetzen. Ich war einfach süchtig nach ihr. Jeden Abend, wenn ich unter der Dusche stand, nahm ich mir aufs Neue vor, sie in Ruhe zu lassen und mich endlich zu zügeln. Und jeden Abend verschwand der Gedanke so schnell wieder, wie er gekommen war.
Hannah hatte gestern erwähnt, dass sie am Wochenende mit ihrer Schwester ausgehen würde. Ein Mädelsabend. Also würde ich nachher Scott anrufen, um zu checken, ob dieser in der Stadt war. Ein Bierchen unter Männern wäre nämlich auch eine gute Idee.
Ich rückte gerade meine schwarze Krawatte zurecht, als ich den großen Meetingraum betrat. Er war zurückhaltend eingerichtet. Ein riesiger Tisch, der Platz für zwanzig Menschen bot, mit schwarzen, weichen und bequemen Ledersesseln, die darum angeordnet waren. In der Mitte des großen Glastisches waren einige Gläser und Kaffeetassen arrangiert, und auf der gegenüberliegenden Seite war auf einem Tisch ein kleiner Kühlschrank platziert, der Getränke, Säfte und Wasser eisgekühlt zu trinken bot. Ein Kaffeevollautomat stand neben einer Schale mit Obst und eine weitere mit Keksen hatte man ebenso bereitgestellt. Abgesehen von dem großen Tisch, war ein Flipchart, ein Whiteboard, ein Flachbildfernseher zum Zwecke der Videotelefonie und zwei Sträuße mit frischen Blumen in dem Raum. Die kühle Eleganz wurde aufgelockert durch zwei Kunstdrucke. Das eine zeigte die Brandung und eines der hier verbreiteten Rettungsschwimmer-Häuschen in Malibu. Auf dem anderen war eine Bucht in Hawaii abgebildet, in der ich meinen ersten Weltmeistertitel geholt hatte.
»Es ist immer wieder interessant zu sehen, welchen Platz sich der Gast aussucht«, begrüßte ich Melissa Stone.
»So? Finden Sie?« Fragend hob sie ihre Brauen, und ihr umwerfendes Lächeln wirkte absolut entwaffnend. Sie ergriff meine Hand und schüttelte sie genau mit dem richtigen Maß an Selbstbewusstsein.
»Definitiv«, murmelte ich und bedeutete ihr sich wieder zu setzen. »Es sagt viel über jemanden aus. Kaffee?«
»Danke nein. Ihre Assistentin war bereits so freundlich.«
»Ja, sie ist das Herzstück der Firma«, erwiderte ich und zwinkerte ihr zu. Das war sie wirklich. Ohne meine Assistentin würde ich die Hälfte meiner Termine und ungefähr alle Rückrufe vergessen, die ich versprochen hatte. Außerdem kümmerte sie sich wirklich um mich, weil sie mir mein Mittagessen brachte, wenn ich ver
gessen hatte, etwas zu kaufen.
Als ich mich zu ihr umdrehte und mich mit meinem Espresso in der Hand auf den Platz neben ihr niederließ, sah ich sie richtig an.
Melissa Stone war Hannah sehr ähnlich. Die Körperhaltung, das Lächeln und das Funkeln in den Augen waren gleich. Dennoch sah sie komplett anders aus. Dort, wo Hannah weibliche Rundungen hatte, war Melissa schlank und fast schmal. Sie hatte Busen, aber nicht so einen unglaublichen wie Hannah. Vielleicht ... nun, ich mit meinem Kennerblick würde sagen, es war eine Handvoll. Ihr Haar war länger, wesentlich heller und gelockter als das ihrer Schwester, und sie hatte dunkelbraune Augen, welche stark geschminkt waren und ihr somit etwas Katzenartiges verliehen. Die schmaleren und in Herzform geschwungenen Lippen presste sie jetzt fest aufeinander. Sie trug die weiße Kurzarmbluse, auf deren Brust das Logo des ISC eingestickt war, und dazu blaue Chinohosen, mit weißen flachen, aber eleganten Mokassins.
»Sind Sie fertig, Mr. Moore?«, fragte sie mich, mein offensichtliches Starren unterbrechend. Ihre Hände verschränkte sie in ihrem Schoß. Ihre Körperhaltung war mir gegenüber weiterhin offen.
Ich lächelte sie schwach an. »Entschuldigen Sie, Sie sehen nur so ganz anders aus als Hannah«, sagte ich ehrlich.
»Oh richtig, Sie kennen ja meine Schwester!«, antwortete sie. Ihre Stimme floss wie Honig um mich, und ihr Lächeln war so püppchensüß, dass es mir gerade deshalb eine Heidenangst einjagte. »Nur fürs Protokoll, Mr. Moore, ich weiß, dass Sie meine Schwester vögeln, und das ist okay, dadurch hat sie gute Laune.« Als würde sie ihren Worten die Schärfe nehmen wollen, wedelte sie mit der Hand hin und her. »Aber wenn Sie ihr wehtun, werde ich Ihnen wehtun.« Bedeutungsschwanger sah sie auf meinen Schritt. Himmel. Fuck! Ich riss die Augen auf. »Ich weiß, dass Sie jetzt denken, ich sei unprofessionell, weil ich das alles anspreche.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und ließ sich Zeit, ehe sie fortfuhr. »Aber das eine ist Arbeit, das andere privat. Und privat bedeutet, dass ich Ihnen den Arsch aufreißen werde, wenn Sie jemandem verletzen, den ich liebe. Geschäftlich heißt es, dass ich Ihnen keine Fragen über Ihre ausschweifende Frauen-Vergangenheit stellen und mich in Bezug auf Ihre Verlobte kurzfassen werde.«